Programmtext Regie/Stück:
...und eine flüügt übers
Kuckucksnäscht
Ein Stück macht seinen Weg
Bevor Ken Kesey der schriftstellerische Durchbruch
gelang, jobbte er auf der psychiatrischen Station
eines Kriegsveteranenhospitals in Palo Alto/USA. Während
seinen Nachtwachen unterhielt er sich stundenlang
mit den Insassen, machte sich Notizen und fertigte
Zeichnungen an. Unter Drogeneinfluss kam ihm die Idee,
den Roman aus der Sicht des, unter schizophreniebedingtem
Verfolgungswahn leidenden, Indianers Bromden zu schreiben.
So ist der Blick auf die Psychiatrie nicht objektiv,
sondern surreal. Der Hollywood-Star Kirk Douglas sicherte
sich die Rechte und spielte 1963 die Hauptrolle des
McMurphy in einer nicht sehr erfolgreichen Broadway-Inszenierung.
Im Rahmen einer Osteuropa-Tournee, welche dem Kulturaustausch
(!) und der Entspannung zwischen Ost und West dienen
sollte, traf Douglas den jungen, talentierten tschechischen
Regisseur Milos Forman bei einem der Gastspiele in
seiner Heimatstadt Prag. Das versprochene Manuskript,
welches Douglas dem sehr interessierten Forman zusandte,
kam nie in dessen Besitz. Man glaubt, die Behörden
hätten hinter dieser Postsendung pro-amerikanische
Propaganda gewittert und das Manuskript konfisziert.
Milos Forman hingegen meinte, der Star Douglas habe
es sich anders überlegt und, zurück in Amerika,
jemand besseren für das Projekt gefunden.
10 Jahre später machte sich der Sohn von Kirk,
Michael Douglas als Produzent mit neuem Elan an das
Projekt. Sein Vater war enttäuscht von den eher
ablehnenden Kritikerreaktionen und dem Unverständnis
des amerikanischen Publikums und hatte das Buch in
der Schublade verstauben lassen. Milos Forman konnte
die Geschichte kaum glauben, auch nicht, dass er nach
über 10 Jahren noch immer auf der Wunschliste
stand und so konnte er als Regisseur und Co-Autor
gewonnen werden. Forman sagte, dass dies sein
Thema sei, dass er als Bürger der Tschechoslowakei
sehr genau spüre, um was es bei diesem Stück
ging Macht und Missbrauch, Unterdrückung
und Manipulation. Dieser Stoff hatte zu ihm gesprochen
und er konnte sich einbringen und auf seine unvergleichliche
Art diesen Film drehen. Die Dreharbeiten fanden an
Originalschauplätzen statt und die Crew mit dem
damals noch am Karrierebeginn stehenden Jack Nicholson,
lebte während den gesamten Dreharbeiten in einer
eigens zur Verfügung gestellten Abteilung innerhalb
einer amerikanischen Psychiatrieklinik.
Der Film wurde 1975 mit 5 Oscars ausgezeichnet und
gehörte natürlich auch für mich während
meiner Fotografen-, Kamera- und Regie-Ausbildung zum
wichtigen Begleiter. Insgesamt war ich während
20 Jahren beim Schweizer Fernsehen in verschiedenen
Funktionen für die gestalterische und dramaturgische
Umsetzung von Sendungen wie Karussell, Teleboy, Musik
& Gäste, Telebühne, Swissparade, Traumpaar,
Bsuech in..., Benissimo u.v.a. zuständig. Als
ich vor 10 Jahren mit reinen Theater-Inszenierungen
ohne TV-, Film- und Video-Ballast begann,
war es mir wichtig, nicht einfach Auftragsregisseur
zu sein, sondern mich nur mit Stücken zu beschäftigen,
die zu mir sprachen und von denen ich
das Gefühl hatte, dass auch ich etwas damit sagen
kann. Bei der Übersetzungs- und Inszenierungsarbeit
am Kuckucksnäscht habe ich dieses
Gefühl ganz stark spüren dürfen.
Bei meinen Inszenierungen mit Laien ist dies, nach
Peters friends, die zweite Arbeit
mit und an einem überaus bekannten Filmstoff.
Gerade weil ich aus der Welt der Fotografie, des Films
und des Fernsehens komme, glaube ich an die eigenständige
Kraft einer Bühnenfassung, auch wenn der Mythos
Hollywood mit erdrückender Macht drohend über
uns zu schweben scheint. Meine Aufgabe ist es, durch
die optimale Besetzung der Rollen und durch eine glaubhafte,
dem Stück angepasste Inszenierung dafür
zu sorgen, dass dem Publikum ein Erlebnis geschieht,
welches in seiner Unmittelbarkeit eben nur das Theater
zustande bringen kann. Wenn ich sehe, wie stark und
mit wie viel Enthusiasmus sich die Laienspielerinnen
und spieler der Schatulle einbringen, dann wäre
eigentlich bereits, im Sinne des erlebnisorientierten
Lernens (der Erwachsenenbildner drückt durch),
der Weg das Ziel. Dass das Stück und damit unsere
Arbeit den Weg zu Ihnen, liebes Publikum, finden kann,
ist natürlich die Krönung unseres Schaffens
und damit verbunden, sind wir auch wieder sehr ziel-
und ergebnisorientiert. Wenn es gelingt, dass Ihnen
mit unserer Version des Klassikers ...und
eine flüügt übers Kuckucksnäscht
etwas geschieht, dass Sie berührt
werden, dann hat das Stück seinen Weg gemacht
und ist angekommen. Ich wünsche mir, dass es
und wir gut bei Ihnen ankommen toi, toi, toi..........
André Häring, Regisseur BR / Ausbilder
FA
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